Studium oder Ausbildung – Mach Schluss mit den Vorurteilen!
Der Trend zum Studium
Der anhaltende Trend zum Studieren sorgt jedes Jahr für viele neue Jungakademiker*innen auf dem Arbeitsmarkt. Seit 2008 ist der Anteil der studierten Arbeitnehmer*innen um vier Prozent angestiegen – das sind rund 2,4 Millionen Personen! Gleichzeitig wird der Fachkräftemangel der beruflich Qualifizierten immer stärker. Das heißt: Es gibt immer weniger Personal mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung auf dem Arbeitsmarkt.
Mehr Ausbildungsplätze, weniger Bewerber*innen
Dies stellt die deutsche Wirtschaft und die Unternehmen vor große Herausforderungen, denn somit wird es immer schwieriger, Mitarbeiter*innen zu finden, die fachlich kompetent sind UND auch in der Praxis etwas auf dem Kasten haben. Und dies wird auch noch eine lange Zeit so bleiben, denn die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Studienanfängerzahlen insgesamt auf hohem Niveau stabil bleiben (rund 508.000 Neueinschreibungen im letzten Studienjahr 2019/20), sodass auch die Zahl der Berufsanfänger*innen mit akademischem Abschluss in den nächsten Jahren unverändert groß bleiben dürfte. Gleichzeitig fragen immer weniger junge Leute eine betriebliche Ausbildung nach, weshalb auch die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den vergangenen Jahren leicht gesunken ist. Dabei haben die Unternehmen auch 2019 wieder eine Rekordanzahl an Ausbildungsplätzen bereitgestellt: Mit einem Plus von 6.600 auf rund 572.000 gemeldeten Ausbildungsstellen war das Ausbildungsangebot für euch so gut wie noch nie. Trotzdem bleiben jedes Jahr viele Ausbildungsplätze unbesetzt.
Aber warum entscheiden sich so viele Menschen für ein Studium und nicht für eine berufliche Ausbildung? Zunächst einmal beruht dieser Trend auf einem gewissen Gesellschaftsbild, das auch durch die Politik vermittelt wurde: Das Abitur gilt mittlerweile als „Mindestabschluss“. Daraus resultiert oft der Trugschluss, dass nur das Abitur auf eine erfolgreiche Berufstätigkeit vorbereitet. Auch besteht immer noch die Meinung, dass Akademiker*innen mehr verdienen, bei ihnen das Arbeitslosenrisiko geringer ist und sie einfach die „besseren Jobs“ bekommen, als Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Aber stimmt das überhaupt?
Kein Unterschied beim Gehalt
Vergleicht man die Gehälter, zeigt eine aktuelle Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) an der Universität Tübingen (2019), dass der Verdienst einer Person mit Ausbildung und anschließender Weiterbildung am Ende des Erwerbslebens fast gleichauf mit dem von jemandem mit Studium liegt. Und nicht nur das: Beruflich Qualifizierte verfügen meistens bereits über ein gutes finanzielles Polster, während Akademiker*innen erst noch ihren Studienkredit abstottern müssen. Akademiker*innen gelingt es so erst spät in ihrem (Berufs-)Leben, das „große Geld“ zu verdienen. Außerdem ist das Einstiegsgehalt von ausgebildeten Fachkräften oft höher als man denkt. Vor allem, wenn noch eine Weiterbildung, wie beispielsweise ein Meister*in, absolviert wurde. Fakt ist: Eine berufliche Ausbildung kann sogar lukrativer sein, als ein jahrelanges Studium.
Ausbildungsfortbildungen verringern das Arbeitslosigkeitsrisiko
Je höher dein Bildungsniveau, desto geringer dein Arbeitslosigkeitsrisiko. So weit, so gut. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lag die Arbeitslosenquote für Akademiker*innen im Jahr 2018 stabil bei 2,1 Prozent. Bei Fachkräften, die sich zum Meister*in oder Techniker*in weiterqualifiziert haben, betrug die Arbeitslosenquote im Vergleichszeitraum hingegen nur 1,2 Prozent. Dies zeigt: Eine duale Ausbildung mit anschließender Aufstiegsfortbildung schützt noch besser vor Arbeitslosigkeit, als ein Studium.
Mehr Chancen auf unbefristete Arbeitsverträge
Dem Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge lag der Anteil von befristeten Arbeitsverträgen zuletzt für Arbeitnehmer*innen mit einer abgeschlossenen dualen Ausbildung bei 6,3 Prozent und für Absolvent*innen mit einer beruflichen Weiterbildung bei nur 5,3 Prozent. Bei Akademiker*innen liegt der Wert bei 11 Prozent. Zwar werden Stellen im Wissenschaftsbetrieb, die eher von Akademiker*innen eingenommen werden, häufig befristet ausgeschrieben. Trotzdem ist der Unterschied deutlich.
Fakt ist:
Mit einem Hochschulabschluss in der Tasche verdient man keineswegs generell mehr, als mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Deine Chance auf eine unbefristete Anstellung steigt mit einer beruflichen Ausbildung. Also mach Schluss mit den Vorurteilen und wähle deinen Karriereweg!
Gesine Schorling, IHK Lüneburg-Wolfsburg